Ängste überwinden - mit Ängsten leben

________________________________ 

Angst ist ein Urgefühl des Menschen, eine „Grundbefindlichkeit des menschlichen Daseins“.

_____________________________________________________________________

Obwohl Angst zu den häufigsten psychischen Krankheitssymptomen zählt, ist Angst zu haben eben keine Krankheit. Angst ist zu aller erst etwas Gesundes und Wichtiges für den Menschen. Sie ergreift den Menschen sowohl körperlich, als auch seelisch, um ihn auf etwas Kommendes, möglicherweise Bedrohendes aufmerksam zu machen, um ihm die Chance zu geben, sich zu wappnen. In diesem Sinne können wir vor etwas Angst haben, das auf uns zukommt, das uns droht, bedroht und für dessen Bewältigung Wachheit und Aufmerksamkeit, körperliche und psychisch-mentale Bereitschaft zu reagieren notwendig ist. Man kann aber auch Angst um etwas haben, das einem wert und wichtig ist, das man als bedroht erlebt, um das man sich sorgen macht.

_____________________________________________________________________

Die Angst vor etwas scheint immer konkreter und greifbarer zu sein, als die Angst um etwas, das meist auf etwas Größeres, Umfassenderes, und schwer Greifbares hindeutet. So hat man z.B. Angst vor dem Fliegen, vor einer Prüfung, vor Schlangen, oder vor Hunden,

oder vor einem Zahnarzttermin. Dagegen hat man Angst um sein Leben, (und nicht vor dem Leben!), um die Existenz, um die Natur, um die Welt. Man hat Angst vor Krankheit und vor dem Sterben.

_________________________________________________________________________

Das, wovor man Angst hat, kann man versuchen zu vermeiden- auch wenn sich das nie als sinnvoll erweist.

Dasjenige, worum man Angst hat, kann man nicht vermeiden.

Hierbei wird deutlich, dass die Angst auf etwas Größeres hindeutet. Ob es sich um eine konkrete Furcht, eine Realangst, oder ob es sich um eine bestimmte Angst handelt, - im Grunde verweist jede Angst letztendlich entweder auf die Handlungs- und Selbstentfaltungsmöglichkeiten im Leben, oder auf die Freiheit und Sinnfindung der Existenz des Menschen, des Daseins.

_____________________________________________________________________

Stellt man sich dieser Sinnfrage des Daseins, also den Ängsten, - gelingt es einem zwar nicht angstfrei zu leben, wohl aber mit der Angst leben zu können.

____________________________________________________________________

Insofern jeder Mensch Ängste kennt, der gesunde wie der Kranke, ist es für jeden Menschen hilfreich und sinnvoll, seine Ängste daraufhin zu befragen, welche Botschaften in ihnen enthalten sein mögen.

____________________________________________________________________

Bei den konkreten Realängsten wird die Botschaft unter Umständen eindeutig und einfach zu erfassen sein.

____________________________________________________________________

Weitaus schwieriger und komplexer ist die im Zusammenhang mit den großen und unbestimmten Ängsten. Bei den krankhaften Ängsten spielen häufig unbewusste Motive eine Rolle, deren Botschaften sich oft im Rahmen einer Psychotherapie entschlüsseln und verstehen lassen, so dass auf diesem Weg für den Angstkranken seine Angst bewältigbar wird.

________________________________________________________________________

Angst ist also nicht gleich eine Krankheit. Sie ist vielmehr eine Erfahrungsmöglichkeit, die plagt und lähmt, solange man sie nicht versteht. – die aber zum anregenden Stimulus werden kann, und weiterhilft die angemessenen Bewältigungsmöglichkeiten der Lebenssituationen zu finden, wenn man sich mutig fragend und verstehen auf sie einlässt.

________________________________________________________________________

Nicht nur das Gefühl der Angst lernt der Mensch im Laufe seines Lebens an den vielfältigsten, zum Teil gefährlichen Erfahrungen kennen, sondern auch das , was das Gefühl der Angst für ihn bedeutet, welche Botschaft man von ihr erhält, welchen Sinn man in ihr finden kann. So kann Angst eine Chance sein, aus der man lernen und sich weiterentwickeln kann.

________________________________________________________________________

Folgendes Interview mit der Angst von Roland Rosinus zeigt dies auf eine humoristisch, so reale Weise:

_______________________________________________________________________

_______________________________________________________________________

„Ein Interview mit der Angst"

_______________________________________

Nach langen Bemühungen ist es mir gelungen, die Angst zu einem Interview zu bewegen...

Herausgekommen sind ein paar interessante Überlegungen...

_________________________________________________________________

Roland: Hallo Angst, warum bist du eigentlich der Feind für viele Menschen?

______________________________________________________

Angst: Verstehe ich auch nicht. Ich komme ja, um den Menschen zu helfen. Übrigens: ich bin weiblich. Ich sehe mich als Freundin, nicht als Feindin!

_______________________________________________________

Roland: Warum kommst du zu uns Menschen?

_____________________________________________________

Angst: Ganz einfach: alle, zu denen ich gekommen bin, haben mich gerufen. Natürlich nicht bewusst. Ich bin so etwas wie ein Schutzmechanismus. Ich trete auf die Bremse, die manche Menschen nicht mehr finden. Ich zwinge sie anzuhalten, zu überlegen und umzudenken. Ich bin sozusagen eine Blockiersystem mit guten Absichten.

_______________________________________________________

Roland: Du meinst, sie sollen inne halten und sich Gedanken machen über ihr Leben?

_________________________________________________________

Angst: Ja, genau!

____________________________________________________

Roland: Hm... über was genau sollen sie sich Gedanken machen?

___________________________________________________

Angst: Nun - die meisten haben ja Beschwerden körperlicher oder seelischer Art. Ich möchte anregen zu überlegen, woher diese Beschwerden kommen, welche Symptome die logischen Folgen von z.B. Lebensgewohnheiten sind.

____________________________________________________

Roland: Das heißt, meine Lebensgewohnheiten sind schuld an meiner Misere?

____________________________________________________

Angst: Nein, so auch wieder nicht... Viele Gewohnheiten (=Einstellungen) sind ja sehr nützlich. Stell dir vor, du müsstest jeden Tag das Zähneputzen neu erfinden.

______________________________________________________

Roland: Aber?

______________________________________________________

Angst: Es gibt Gewohnheiten, die dich eher belasten. Ich unterscheide zwischen Denk- und Verhaltensgewohnheiten.

_________________________________________________

Roland: Du meinst die Gedankenrattermaschine da oben im Kopf?

____________________________________________________

Angst: Dort fängt alles an: du denkst, du fühlst, das Verhalten bildet sich aus, deine Gewohnheiten entwickeln sich, diese formen deinen Charakter... Was du am wenigsten überprüfst sind deine Gewohnheiten.

______________________________________________________

Roland: Schön bequem will ich es meistens haben...

_________________________________________________________________

Angst: Genau!... es fehlt eine Überprüfung der Gedankenflexibilität. Eingefahrenes Tunneldenken wird nicht erkannt. Die Kette Gedanken- Gefühle- Verhalten ist nicht bewusst. Und du gibst deiner Wahrnehmung keine Chance.

____________________________________________________

Roland: Der Wahrnehmung eine Chance geben?

__________________________________________________

Angst: Verfestigte Lebensgewohnheiten nennt ihr Vorurteile. Ihr nehmt wahr, beurteilt und habt dann eine Meinung, eine Einstellung. Macht euch frei, neue Erfahrungen zu sammeln, die zu neuen Denkweisen führen. Wenn ich z.B. in Spanien bestohlen werde, so ist Spanien nicht fürchterlich; ich habe lediglich eine schlechte Erfahrung gemacht. Wenn ich diese zur Grundlage meiner zukünftigen Beurteilung Spanien mache, werde ich nie die netten Menschen, die gute Küche und die sonstigen Schönheiten kennen lernen.

______________________________________________________

Roland: Ich weiß noch nicht so richtig, worauf du hinaus willst, aber ich habe eine Idee:

_____________________________________________________

Angst: Nur zu...

___________________________________________________

Roland: Du willst sagen, mit dem Denken fängt alles an, auch die Angst?

_______________________________________________________

Angst: Ja, mit dem Denken und dem Bewerten hängt auch die Angst zusammen. Der Mensch ist, was er denkt, hat ein großer griechischer Philosoph gesagt.

__________________________________________________

Roland: Ich habe über dich gelernt, dass du von Angst auslösenden Gedanken herbeigerufen wirst und dass so genannte Katastrophengedanken dich noch ärger wüten lassen!?

_______________________________________________________

Angst: Stimmt! Nur - was euch so super gelingt, ist die bildliche Vorstellung negativer Geschehnisse. Ich wäre sehr zufrieden, wenn euch das auch im Positiven gelingen würde. Das Gespenst hätte dann keine Chance...

_________________________________________________________

Roland: Hm... mir dämmert: du bist also nur eine logische Folge einer oft gedachten negativen Gedankenkette?!

_______________________________________________________

Angst: Absolut richtig! Wenn du dir jeden Tag immer wieder sagst: ich bin zu dick, zu alt, meine Haare werden grau und grauer, mein Geld reicht nicht, den Chef könnte ich auf den Mond schießen, der Sprit wird immer teurer und bis ich in Pension gehe, habe ich nur noch eine Minimalrente..., dann fühlst du dich genau wie du denkst: nämlich dunkelgrau... dein Verhalten wird geprägt von Unsicherheit, mangelndem Selbstbewusstsein und deine

Gewohnheiten zeigen sich in Sicherheitstechniken und Vermeidung von Situationen, denen du dich nicht gewachsen fühlst.

___________________________________________________

Roland: Was kann ich tun?

__________________________________________________________________________

Angst: Du musst den positiven Gegenspieler einwechseln, wenn du merkst, dass du auf dem Negativtrip bist. Du kannst Stopp sagen! Bis hierhin und nicht weiter!

_________________________________________________________

Roland: Wer sind denn die positiven Gegenspieler?

_____________________________________________________

Angst: Lachen, Freude empfinden, sich seiner sicher sein, Zufriedenheit, Vertrauen, Geborgenheit im Fluss des Lebens, nicht zu viel erwarten, genießen, leben... insgesamt die Meßlatte für sich selbst ein wenig tiefer hängen.

________________________________________________________

Roland: OK, OK, ich verstehe. Wie gehst du eigentlich damit um, dass dich keiner mag?

______________________________________________________

Angst: Gut beobachtet! Die Antwort ist: Das ist mir nicht wichtig! Als geistige Energiequelle werte ich nicht. Ich habe nur eine Aufgabe; diejenigen, die das wissen, profitieren sogar von mir! Ich konnte ihre Lebensqualität wieder herstellen bzw. verbessern.

____________________________________________________

Roland: Du quälst die, die dir nicht zuhören mitunter ganz schön?

_______________________________________________________

Angst: Das muss so sein... Stell dir vor, jemand hört dich nicht, obwohl du dich bemerkbar machst; dann musst du lauter reden.

________________________________________________________

Roland: Das heißt, du wirst um so gemeiner, je weniger die Leute auf dich hören?

_______________________________________________________

Angst: Ja, ich will eine Bestandsaufnahme ihres Lebens. Ich bin der Prüfstein, ob sie so

weiterleben möchten oder ihrem Denken und Tun eine andere Richtung geben möchten.

Nicht falsch verstehen: es geht ums Leben! Die Betonung liegt auf so.

______________________________________________________________

Roland: Warum bist du so hartnäckig und zäh, wenn dich die Angsthasen besiegen oder

vertreiben wollen bzw. dich so schnell wie möglich wieder loswerden wollen?

________________________________________________

Angst: Gegenfrage: Kannst du ein Gespenst vertreiben mit Furcht oder ein Feuer löschen mit einem Blasebalg? Du musst dem Gespenst die Stirn bieten und dem Feuer den Sauerstoff entziehen. Wenn du mir so begegnest, dann habe ich keine Chance, bei dir zu bleiben. Doch das freut mich eher, ich habe dann nämlich keine Daseinsberechtigung mehr. Verstehst du?

__________________________________________________________________

Roland: Warum habe ich dann auf meinem Weg einige Rückfälle erleben

___________________________________________________________müssen?

Angst: Das waren Tests, ob ich schon gehen konnte. Ich habe dich überprüft, ob du das,

was du sagst und tust verinnerlicht hast oder ob es nur leere Worthülsen sind. Ich prüfe

den Härtegrad deiner Überzeugungen. Ich bin ja stets bei jedem im Hintergrund. Manchmal komme ich auch zu früh (wieder). Doch wenn mir dann jemand vertrauensvoll sagt: Schön, dass du da bist, aber ich brauche dich in dieser Situation nicht, ich kriege das selber hin, dann ziehe ich mich gerne wieder zurück.

_____________________________________________________________

Roland: Du willst, dass die Menschen mit dir reden?

______________________________________________________________

Angst: Aber sicher!

____________________________________________________________

Roland: Und wenn die alten Gewohnheiten wieder die Überhand gewinnen ? Wenn Termine, Druck, Verantwortung, Nicht-Nein-sagen-können, Stress, Perfektionismus, Ehrgeiz, hohe Erwartungen wieder kommen?

____________________________________________________

Angst: Ich bin sofort wieder da! Versprochen!____________________________________________________________

Roland: Wie wichtig sind Ziele?

_____________________________________________________________

Angst: Oh, sehr wichtig. Es kommt nur darauf an, wie du die Zielverwirklichung angehst...

: Ob ich ein Ziel mit Ehrgeiz und Verbissenheit angehe oder mit Leichtigkeit und Spaß

ist immer ein feiner Unterschied!

_____________________________________________________

Roland: OK, ich entscheide mich dann für Leichtigkeit und Spaß.

_____________________________________________________

Angst: Ich wollte noch sagen: Ehrgeiz ist nichts Schlechtes an sich, wenn ich es durch Elan oder Tatkraft, gepaart mit Durchhaltevermögen ersetze. Oft ist es jedoch Ehrsucht. Ich suche Ehre! Fast immer fehlt dabei der Spaß. Und selbst wenn sich dabei trotzdem Erfolge einstellen, kann sich derjenige nicht so richtig freuen. Ihr sagt ja auch passend kranker und gesunder Ehrgeiz.

___________________________________________________________

Roland: Was machen Medikamente mit dir?

_________________________________________________________________

Angst:: Medikamente isolieren mich und ich ziehe mich zurück. Das ist nicht immer

schlecht. Denn manchmal - das muß ich selbstkritisch zugeben - übertreibe ich etwas und lähme die Menschen bei ihrer Heilung. Wenn meine Isolation bei gleichzeitiger Bestandsaufnahme und Verhaltensänderung (ihr nennt das Therapie) hilft, aus dem Loch zu kommen, finde ich das gut. Wenn jedoch jemand seine Medikamente nur als Krücke benutzt bzw. absetzt, ohne an sich gearbeitet zu haben, bin ich sofort wieder da und zeige ihm, dass er nachsitzen muss...

____________________________________________________________

Roland: Wäre es nicht besser, ihm zu sagen, was er nachholen müsste?

__________________________________________________________________

Angst: Erstens zählt der Prophet nichts im eigenen Land und zweitens sitzen Dinge, die du dir selbst erarbeitest, wie ein Maßanzug.

___________________________________________________

Roland: Aber eine kleine Hilfestellung wäre doch manchmal besser!?

_______________________________________________________

Angst: Diese von dir angesprochene Hilfestellung bekommst du in verschiedenen Formen,

z.B. in Gebeten und dem Vertrauen auf die innere Stimme. Aber viele Menschen misstrauen selbst ihrer eigenen Stimme... Schade!

_________________________________________________________

Roland: Was ist mit lebenslanger Medikamenteneinnahme?

_________________________________________________________

Angst: Gute Frage! Ich werde wohl künstlich kaltgestellt. Der Preis ist aber sehr hoch: aktuelle Lebens(Lern-)Probleme werden (u.U. in diesem Leben) nicht mehr gelöst; aber sie stellen sichim nächsten Leben genau so wieder vor dich und fordern dich auf, das Grundproblem endlich zu lösen... vielleicht in einer etwas anderen Form, vielleicht auch nicht im nächsten Leben, sondern schon bald!

Wenn du z.B. dem Chef Mayer davonläufst und beruflich nach X-Hausen wechselst, kann dir dort der gleiche Chef begegnen, vor dem du wegläufst...usw.! Dort heißt er dann vielleicht Schmitt... Insofern wird ein positiver Lebensentwicklungsprozess verzögert. Die Aussage lautet: Was nicht zu Enden gelitten (=gelöst) ist, kehrt immer wieder!

_____________________________________________________

Roland: Danke für dieses Gespräch, das war sehr aufschlussreich...

______________________________________________________

Angst: Keine Ursache. Du weißt doch: ich bin immer für dich da! "

____________________________________________

Text: Roland Rosinus

_________________________________________